Nachrichten zum Thema Politik

 

Politik Die Anträge des Umweltbeirats für den SPD-Landesparteitag am 27. und 28. November 2009

Für naturnahe Wälder und den Schutz der Artenvielfalt

Unsere Wälder leiden nicht nur unter den Folgen des Klimawandels und der Luftverschmutzung sondern mehr und mehr auch unter einer stiefmütterlichen Art der Waldbewirtschaftung. Wir Sozialdemokraten setzen uns für eine naturnahe Waldwirtschaft ein, die auf die Belange des Natur- und Artenschutzes Rücksicht nimmt. Wir fordern daher verbindliche Vorschriften für die gute fachliche Praxis in der Waldwirtschaft, die Ausweisung zusätzlicher Waldschutzgebiete und die Stärkung der staatlichen und kommunalen Forstverwaltung.

I. Naturnahe Waldwirtschaft

Wir fordern, dass nachfolgende Regeln einer Naturnahen Waldwirtschaft in einem novellierten Bundeswaldgesetz bzw. im Landeswaldgesetzes BW verbindlich fest geschrieben werden. Ihre Einhaltung ist von der staatlichen Forstverwaltung zu überwachen. Verstöße gegen diese Vorschriften sind zu ahnden.

- Hauptziel ist die Erhaltung und Schaffung von Wäldern mit einem hohen Anteil standortheimischer Baumarten. Maßstab ist die potentielle natürliche Waldgesellschaft. In der Regel sind dies Buchenmischwälder mit wechselnder Beimischung von Eiche, Tanne oder anderen standorttypischen Baumarten. Angestrebt wird ein mehrstufiger, ungleichaltriger Waldaufbau.
- Der Naturverjüngung ist Vorrang vor Saat und Pflanzung zu geben. Bei Saaten oder Pflanzungen darf kein gentechnisch verändertes Saat- und Pflanzgut verwendet werden.
- Auf Düngung als Mittel zur Ertragssteigerung ist zu verzichten. Kalkungen zur Kompensation von schadstoffbedingter Versauerung im Oberboden dürfen nur vorgenommen werden, wenn eine Bodenuntersuchung zeigt, dass eine solche Maßnahme notwendig ist.
- Pestizide und andere organische Pflanzenschutzmittel werden nicht eingesetzt.
- In Althölzern sind mindestens 5 starke Bäume je ha Waldfläche dauerhaft zu markieren und aus der Nutzung zu nehmen. Liegendes und stehendes Totholz im Umfang von mindestens 20 m³/ha Waldfläche ist dauerhaft im Wald zu belassen.

II. Waldschutzgebiete

Zur Erhaltung der biologischen Vielfalt fordern wir die Ausweisung zusätzlicher Waldschutzgebiete in Baden-Württemberg:

- 5 % der Waldfläche sind als Bannwald aus der Bewirtschaftung zu nehmen. Dies entspricht den Zielen der nationalen Strategie der Bundesregierung zur Erhaltung der biologischen Vielfalt.

III. Stärkung der öffentlichen Forstverwaltung

Zur Realisierung und Durchsetzung der naturnahen Waldwirtschaft fordern wir:

- einen Stopp des Personalabbaus in der Forstverwaltung des Landes und der Gemeinden und eine vermehrte Einstellung von Nachwuchspersonal,
- Obergrenzen für die Flächenausdehnung der Forstdienstbezirke und
- eine Belegschaft an Waldfacharbeitern im öffentlichen Wald, die es
ermöglicht, die Pflegearbeiten überwiegend und die Holzerntearbeiten zumindest teilweise in Eigenregie durchzuführen.

Zur Begründung dieser Forderung stellen wir fest: Der Personalabbau in der staatlichen und in den kommunalen Forstverwaltungen und die Auflösung von zahlreichen Forstdienststellen, wie sie im Zuge Verwaltungsreform der Landesregierung seit nunmehr zwei Jahrzehnten praktiziert werden, sind mit einer nachhaltigen, pfleglichen und am Gemeinwohl orientierten Waldwirtschaft nicht vereinbar. Seit Jahren wird sowohl bei den Förstern wie bei Forstwirten (Waldarbeitern) so gut wie kein Nachwuchs mehr eingestellt. Eine Naturnahe Waldwirtschaft ist nur möglich, wenn die Wälder von ausreichend und gut ausgebildetem Fachpersonal betreut werden.

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Gegen Landschaftsverbrauch durch Zersiedlung

Wir Sozialdemokraten setzen uns für ein Ende des ungezügelten Landschaftsverbrauchs ein. Wir fordern ein Gesetz, das die staatlichen und kommunalen Planungsträger verpflichtet, den Landschaftsverbrauch entsprechend der demografischen Entwicklung zu beschränken und landesweit auf Netto Null zurückzuführen. Wir treten für folgende Maßnahmen ein:

- Die bauliche Entwicklung der Gemeinde ist auf die Innenentwicklungspotentiale zu lenken. Das sind Baulücken, ehemals bebaute Flächen wie Siedlungsbrachen, Konversions- und Altlastenflächen, nicht mehr genutzte Industrie- und Wohngebäude sowie nicht mehr genutzte landwirtschaftliche Betriebsgebäude. Aus ökologischen Gründen erforderliche Grünflächen sind zu erhalten oder neu anzulegen.
- Die Gemeinden sind nach landeseinheitlichen Vorgaben zu verpflichten, ihre Innenentwicklungspotenziale zu erfassen, zu beplanen und bekannt zu machen sowie den Vorrat an baurechtlich ausgewiesenen und/oder bereits erschlossenen, aber noch nicht genutzten Bauflächen zu erfassen und bekannt zu machen.
- Bei Baumaßnahmen auf der grünen Wiese sind andernorts gleich große Flächen zu entsiegeln und der Natur zurückzugeben.
- Zur Minimierung des Flächenverbrauchs ist das Bodenrecht, die Baunutzungsverordnung, das Grundsteuerrecht (Versieglungsabgabe) und die Wohneigentumsförderung zu reformieren.
- Dem Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs ist der Vorrang vor dem weiteren Ausbau des Straßennetzes zugeben. - Ziel muss sein, künftig kompakte Siedlungsstrukturen mit kurzen Wegen zu schaffen.

Begründung:

Obwohl die Bevölkerung in Baden-Württemberg im Jahr 2008 erstmals abgenommen hat, werden immer noch neue Wohn- und Gewerbegebiete, Straßen und Parkplätze geschaffen. Im Jahr 2008 betrug der tägliche Flächenverbrauch 8,2 ha oder etwa 12 Fußballfelder. In den letzten 50 Jahren haben wir im Lande soviel Fläche für Siedlung und Verkehr beansprucht wie alle Generationen vor uns. Die negativen Folgen des Flächenverbrauchs sind seit langem bekannt:

- wertvolle Naturräume gehen verloren und werden zerschnitten,
- die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren leidet,
- die Versiegelung der Böden beeinträchtigt die Wasserversickerung und die Grundwasserbildung,
- die land- und forstwirtschaftliche Nutzfläche wird reduziert,
- der Reiz und die natürliche Schönheit der heimatlichen Landschaft gehen verloren.

Neuer Flächenverbrauch kann weitgehend vermieden werden, wenn die Siedlungsentwicklung auf die Innenentwicklungspotenziale gelenkt wird. Sie sind landesweit nicht erhoben, werden aber auf 23.000 ha bis 36.000 ha oder 10 % bis 20 % der bestehenden Gebäude- und Freifläche im Land geschätzt. (Quelle: Landesentwicklungsbericht 2005).

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Agrarpolitik braucht dringend einen Kurswechsel

Angesichts der Zunahme des Hungers in der Welt, vor allem in den Entwicklungsländern, und der Überschussproduktion von Nahrungsmitteln in den Industrieländern mit der Folge enormer Umweltschäden fordern wir Sozialdemokraten dringend einen Kurswechsel in der nationalen, europäischen und internationalen Agrarpolitik.

Die Entwicklung hat gezeigt, dass die konventionellen Rezepte einer industrialisierten Landwirtschaft zur Produktionssteigerung (mehr Kunstdüngereinsatz, mehr Pestizide, mehr Massentierhaltungen, mehr Gentechnik und patentiertes Saatgut etc.) nicht geeignet sind, dem geplanten Ziel einer Halbierung der Zahl der Hungernden weltweit bis 2015 (FAO-Beschluss von 1995) näherzukommen.

Wir fordern deshalb, dass innerhalb der EU so rasch wie möglich
folgende Maßnahmen ergriffen werden:

• Abschaffung der Exportsubventionen für den Export von Lebensmitteln in Drittländer, weil sie, besonders in Afrika, die einheimischen Märkte zerstören;
• Drastische Reduzierung der Futtermittelimporte, vor allem aus ärmeren Ländern, in die EU;
• Sofortiger Stopp der Importe von Agrosprit aus Schwellen- und Entwicklungsländern;
• Beendigung der Investitionsförderung aus Brüssel für den Bau von Großanlagen zur Massentierhaltung, Festlegung von Obergrenzen;
• Konsequente Förderung der artgerechten Haltung von Nutztieren;
• Erhöhung der Zulagen für Grünland und Milchviehbetriebe, besonders in benachteiligten Gebieten;
• Begrenzung von Direktzahlungen für Einzelbetriebe, gerechtere Aufteilung und strikte Kappungsgrenze für große Agrarfabriken;
• Verzicht auf Gentechnik und weitergehende Rationalisierung der Massenproduktion;
• Umstellung der Agrarforschung auf die Bedürfnisse einer nachhaltigen, an ökologischen Kriterien ausgerichteten bäuerlichen Landwirtschaft;
• Beendigung der von EU-Kommission und Bundesregierung verfolgten Liberalisierungs- und Deregulierungsbestrebungen im Bereich der Nahrungsmittelversorgung.

Eine Zukunft für den Ländlichen Kaum

Der Ländliche Raum leidet in vielfältiger Weise unter den Konsequenzen der Industrialisierung der Landwirtschaft und der Weltmarktideologie der EU-Agrarpolitik. Diese hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich von den Vorstellungen und Verpflichtungen der Römischen Verträge von 1957 entfernt.

Wir Sozialdemokraten treten deshalb für eine Rückbesinnung auf die Grundlagen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ein. Das heißt, wir wollen, dass die EU am Europäischen Agrarmodell und damit am Leitbild einer multifunktionalen Landwirtschaft festhält. Dies bedeutet, dass die Landwirtschaft nicht allein die Aufgabe hat, gesunde Lebensmittel zu produzieren, vielmehr muss das Ziel der Agrarpolitik darüber hinaus sein, dafür zu sorgen, dass:

• die Kulturlandschaft gepflegt wird,
• die Artenvielfalt von Flora und Fauna erhalten wird,
• eine möglichst flächendeckende Bewirtschaftung in allen europäischen Regionen stattfindet, soweit dies mit Zielen des Naturschutzes vereinbar ist,
• die bäuerlichen Betriebe in den Mittelgebirgen und anderen benachteiligten Gebieten erhalten bleiben,
• eine sichere dezentrale Versorgung der Verbraucher mit frischen naturbelassenen Lebensmitteln aus der Region gewährleistet wird, und zwar zu angemessenen Preisen,
• lebendige Ländliche Räume mit eigenen Entwicklungschancen und einer ausreichenden Zahl von Arbeitsplatzen erhalten bzw. wieder gewonnen werden.

Begründung:

Die Entwicklung der letzten Jahre hat deutlich gemacht, dass weder die Hungerbekämpfung in der Welt von Erfolg gekrönt ist noch die ungerechte Verteilung von Nahrungschancen gemildert werden konnte und dass die nördlichen Industrieländer ihrerseits längst an die Grenzen ihrer Produktionsmethoden stoßen. Entgegen den Milleniumsbeschlüssen der FAO (1995) wird die Zahl der Unterernährten weiter steigen und bis zum Ende des Jahrzehnts mehr als eine Milliarde Menschen betragen.

Nach dem Weltagrarbericht der Vereinten Nationen (IAASTD), an dem 400 internationale Wissenschaftler mitgearbeitet haben, kommt es nicht auf die Steigerung der Produktion um jeden Preis an, sondern auf die Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln und deren Produktion vor Ort.

Das sei der entscheidende Faktor für die Bekämpfung von Hunger und Armut weltweit. Der Bericht weist daraufhin, dass weit mehr als 80% der Menschheit durch die Arbeit von Kleinbauern und nicht durch agrarische Großbetriebe ernährt werden. Er erklärt deshalb ohne Umschweife "Business as usual ist not an Opt ion" und fordert einen radikalen Paradigmenwechsel und eine Abkehr von marktradikalen Tendenzen im Weltagrarhandel Die Anwendung angepasster und bewahrter Techniken und die Nutzung traditionellen Wissens seien die besten Garanten für die Ernährungssicherheit und die Schaffung sowohl nationaler als auch regionaler Ernährungssouveränität

Die Europäische Agrarpolitik, die nach Gründung der EWG beachtliche Erfolge hinsichtlich einer raschen und reichlichen Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung vorweisen konnte, hat in den letzten Jahrzehnten durch eine falsche Förderpolitik und einseitige Ausrichtung auf industrielle Produktionsmethoden unheilvolle Entwicklungen ausgelost. Die bereits aus den 70er Jahren stammende Maxime "Wachsen oder Weichen" sorgte dafür, dass mittlere und kleinere Betriebe systematisch vernachlässigt und häufig zur Aufgabe gezwungen wurden, weil nur noch sog Wachstumsbetriebe eine Zukunft haben sollten.

Der Trend zu Agrarfabriken anstelle von Bauernhöfen wurde durch die politischen Vorgaben nach Kräften gefordert, sowohl heim Ackerbau als auch in der Tierhaltung In der Milchviehwirtschaft mussten z. B. seit 1990 mehr als zwei Drittel der Bauern ihre Betriebe aufgeben. Konzentration auf bestimmte "Gunstlagen", Zerstörung regionaler Strukturen, Fusionen und Übernahme kleinerer Molkereien durch Großkonzerne, Beseitigung dezentraler Schlachthöfe etc. - all dies führte zum einen zu Monostrukturen, ausgeräumten Landschaften und langen Transportwegen, die dem Klimaschutz diametral zuwiderlaufen, vor allem aber auch zu immer höheren Futtermittelimporten aus Schwellen- und Entwicklungsländern, und zum andern als Endeffekt zu einer sinnlosen und teuren Überschussproduktion.

Der hohe Fleisch- und Fettkonsum in den USA und Europa trägt beispielsweise erheblich zur Vernichtung riesiger Regenwaldflächen im Amazonasgebiet und auf Sumatra bei, weil die kahlgeschlagenen Flächen größtenteils zur Anlage von Soja- und Palmölanlagen genutzt werden. Dieser ausbeuterische Weg führt schon deshalb nicht in die Zukunft, weil die Naturressourcen endlich sind und weil der rasante Anstieg der Weltbevölkerung von heute 6 auf 9,5 Milliarden bis zum Jahre 2050 die Armut vermehren und nicht vermindern wird.

Im Interesse der 500 Millionen Einwohner der 27 Mitgliedsländer muss der Kurs der EU Agrarpolitik neu durchdacht werden. Das Ergebnis kann nicht eine uneingeschränkte Weltmarktöffnung sein, denn dies hätte zur Folge, dass die Nahrungsmittelversorgung unserer Bevölkerung von den unvorhersehbaren und oft abrupten Schwankungen des globalen Marktes, und letztlich auch von Spekulationen, abhängig würde. Wir lehnen die damit verbundenen Risiken aus politischen, gesellschaftlichen und ethischen Gründen ab. Man könne, so erklärte der frühere französische Agrarminister Michel Barnier 2008, die Frage der Ernährung nicht dem Markt überlassen. Hier gehe es schließlich um die menschliche Existenz und um Frieden oder Unfrieden in der Welt. Über diese Themen sollten wir die Debatte eröffnen

Veröffentlicht am 24.11.2009

 

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